Buch Sicherheit und Deeskalation - Leseprobe

 Leseproben

  • Werfen Sie einen Blick ins Inhaltsverzeichnis

    Einleitung

    1.        Lernen Sie mich kennen

    2.        Das erwartet Sie

     

    Teil 1: Sicherheit


    1.        Bedürfnisbefriedigung – Hunger schlägt Sicherheit

    2.        Definitionen – aus Erfahrung gut

    3.        Realitäts-Check – erschaffen oder herbeiglauben?

    4.        Aufmerksamkeit – Besonderheiten im Fischernetz 

    5.        Routinen – einfach machen statt PLING

    6.        Ernährung - Körper und Geist stärken ohne Sport

    7.        Innere Haltung – mehr als Kalenderweisheiten

    7.1.        Ich bin Erschaffer

    7.2.        Ich bin im Job professionell freundlich

    7.3.        Ich interessiere mich ernsthaft für meinen Gesprächspartner

    7.4.        Ich erwarte keine Dankbarkeit und sorge für Kontenausgleich

    7.5.        Ich überprüfe meine eigenen Vorurteile

    8.        Freiheit – braucht Grenzen

    9.        Intuition – das Gold vom Schlamm befreien

    10.      Ego – unsere stärkste Kraft

    11.      Glaubenssätze - die Macht der inneren Worte

    12.      Planung – die Kunstform gegen Chaos

    13.      Taktik – lieber cool und lebendig

    14.      Strategie – langfristig schlägt kurzfristig

    15.      Führung – Dominanz statt Arroganz 

    16.      Kontrollbedürfnis – das Kopfkino abschalten

    17.      Aggressivität – was uns wahnsinnig macht

    18.      Unsicherheit – jetzt kein Hindernis mehr

    19.      Aus der Praxis für die Praxis – Best Practice Tipps von Heidi Prochaska

     


    Teil 2: Deeskalation


    1.       Motivierende Worte

    2.       Reine Definitionssache

    3.       Was führt zur Eskalation?

    4.       Das Rattenrennen

    5.       Mit Trugschlüssen aufräumen

    6.       Deeskalieren ist alles andere als klein beigeben

    7.       Der Weg der Deeskalation

    8.       Informationen und Gefühle trennen

    9.       Strategien der Deeskalation

    10.     Strategie 1: Der Königsweg - Wir geben nach oder stimmen zu 

    10.1.     Wir geben dem anderen recht

    10.2.     Wir wechseln die Perspektive

    10.3.     Wir entschuldigen uns 

    10.4.     Wir geben Kurzantworten

    10.5.     Wir überhören oder ignorieren

    11.     Strategie 2: Klartext reden - wir setzen uns durch

    11.1.     Wir warnen und zeigen Konsequenzen auf

    11.2.     Wir führen Regie – verbal und nonverbal 

    11.3.     Wir wiederholen unsere Aussage

    11.4.     Wir fragen konkret nach

    11.5.     Wir gehen unter die Gürtellinie – Umgang mit Anzüglichkeiten

    12.     Beispiele für Kombinationen aus Strategie 1 und 2

    13.     Strategie 3: Paradoxe Intervention - wir irritieren oder lähmen 

    13.1.     Abrupter Themenwechsel

    13.2.     Pausen nutzen

    13.3.     Gemeinsamkeiten finden und ansprechen

    13.4.     Aussagen wörtlich nehmen

    13.5.     Mit einem Kompliment das Gespräch beginnen

    13.6.     Jemanden in den OODA-Loop schicken

    14.     Strategie 4: Vom Ich zum Du - wir spiegeln Emotionen 

    15.     Unverschämt aber wahr! Verbale Angriffe und deeskalierende Antworten

    15.1.     Persönliche Angriffe und Beleidigungen

    15.2.     Drohungen – subtil bis konkret

    15.3.     Erpressung, Manipulation und schlechtes Gewissen 

    16.     Schlusswort

  • Meine Lebensgeschichte prägt die beiden Themen dieses Praxisbuches

    Einleitung


    1. Lernen Sie mich kennen


    Meine Lebensgeschichte ist der Grund, warum ich ein Buch über zwei Themen schreibe, Sicherheit und Deeskalation. Dass ich damit mal mein Brot verdienen würde, war mir lange nicht klar. Ich startete meine berufliche Laufbahn zunächst im Gesundheitsbereich, nicht ahnend, dass Eskalation vor keiner Branche halt macht. 


     „Was Sie mir hier vorsetzen, ist ein echter Fraß“. Der füllige Mann funkelte mich an, nahm das orangefarbene Essenstablett und schmiss es in hohem Bogen aus dem Fenster. Ich war wie vom Donner gerührt, unfähig etwas zu sagen oder einzugreifen. Ich arbeitete als Ernährungsberaterin in einer Klinik und lebte in dem Glauben, meinen Patienten mit meinem diätetischen Fachwissen zu  helfen. Ich wollte sie dahin bringen, unsinniges Essverhalten in gesundes und sinnvolles umzuwandeln. 

     

    Mein Dornröschenansatz sowie der Glaube ans Gutmenschentum wurden durch dieses Erlebnis nachhaltig erschüttert. Es prägte mich und beschäftigte meinen Kopf, so dass ich begann Fragen zu stellen. […] 


    Zum richtigen Zeitpunkt fand ich eine Art Coach. Er begleitete und hinterfragte mich, was die Sache nicht einfacher machte, sondern intensiver. Ich nutzte die Chance, meinen bisher eingeschlagenen Weg zu überdenken. Eines wusste ich recht schnell: Ich musste unbedingt meinen Blickwinkel erweitern und begann konkrete Ziele zu setzen. Unter anderem wollte ich eine bestimmte Summe Geld verdienen und mehr Verantwortung. 


    Ich bewarb mich weg. Doch gut dotierte Stellen waren rar. Frustriert schaute ich Fernsehen. Zufällig sah ich einen Film über eine Frau, die eine Personenschutzausbildung machte. Der Coach, dem ich davon erzählte, schaute mich an und sagte kurzerhand: „Das kannst du auch“. Ich protestierte lautstark. Das war doch völlig verrückt. „Hast du je von einer Personenschützerin gehört, die zuvor Ernährungsberaterin war?“, fragte ich entrüstet „Nein“, entgegnete er gelassen, „dann bist du halt die Erste.“ […] 


    Das Ausbildungsjahr gehörte zu den härtesten meines Lebens. Eine Achterbahnfahrt zwischen Respekt und Provokation, Härte und Nachgiebigkeit, Präsenz und Zurückhaltung. Der Druck von außen vermischte sich mit eigenen hohen Ansprüchen und Erwartungen. Ich ging nach Österreich. Die Frau eines Konzernchefs suchte eine Personenschützerin, die bereit war, sich auf eine komplette Schutzfamilie einzulassen. Ich arbeitete Tag und Nacht, hatte plötzlich drei pubertäre Berufskinder und gefühlt tausend neue Herausforderungen. […] 


    Was ich damals noch nicht wusste: Hier legte ich die Basis für meine Deeskalationsfähigkeiten.


    Nach 8 Jahren bin ich aus dem operativen Personenschutz wieder ausgestiegen und habe mich selbstständig gemacht. „Coaching und Seminare“ steht nun auf meiner Visitenkarte. Es ist naheliegend, dass ich Seminare anbiete mit dem Thema Sicherheit und Deeskalation. Doch die Nachfrage tendierte zunächst gegen Null. Erst, als in einem Jobcenter ein Mitarbeiter erstochen wurde, bekam ich meinen ersten Auftrag. Heute erreichen mich zahlreiche Seminaranfragen von Behörden, Institutionen und Unternehmen.  


    Vier Themen ziehen sich durch mein Leben: Änderungen, Entscheidungen, Sicherheit und Deeskalation. 



    2.  Das erwartet Sie  


    Das Buch hat zwei große Hauptthemen, Sicherheit und Deeskalation. 

    Im ersten Teil stelle ich Ihnen unterschiedliche und voneinander unabhängige Sicherheitsthemen vor, mit denen ich auch im Personenschutz zu tun hatte. Dafür musste ich Lösungen finden. Auch wenn die Vermutung naheliegt, es geht weder ums Kämpfen noch ums Schießen. Genauso wenig sind Datensicherheit, Reisesicherheit, Gebäudesicherheit, Brandschutzmaßnahmen oder Hinweise zur Ersten Hilfe meine Themen. Viele andere Autoren haben darüber bereits geschrieben.  


    Meine ausgewählten Inhalte betreffen alle Menschen, die sich um ihre Sicherheit Gedanken machen. Dazu gehören zum Beispiel der Umgang mit inneren Widerständen, Zeitplanung, das Bedürfnis nach Freiheit, der Einfluss unserer Gedanken und inwieweit Hunger sicherheitsrelevant ist.  […] 


    Der zweite Teil des Buches ist aus einem Guss. Erleben Sie nachvollziehbar und exemplarisch die Funktionsweise und Auswirkung von Deeskalationstechniken. Hier geht es ans Eingemachte. […]


  • Teil I 1. Bedürfnisbefriedigung – Hunger schlägt Sicherheit

    Menschen haben Bedürfnisse. Jede Menge sogar. Sie lassen sich definieren und in eine hierarchische Struktur bringen. Manche sind fürs Überleben wichtig, andere befriedigen unsere sozialen oder gesellschaftlichen Belange. […]


    Wie gut geht es Ihnen, wenn Sie morgens zur Arbeit gehen und nur 3 Stunden geschlafen haben? Und dann fällt auch noch das Frühstück aus. Es gibt weder Kaffee noch Brötchen. 

    Nicht gut? Sind Sie vielleicht sogar gereizt und brummig? Oder latent aggressiv? Und dann platzt ein Kunde ohne Begrüßung in Ihr Büro und will sofort eine Entscheidung. Wie souverän und entspannt können Sie in diesem Moment reagieren? […]


    Für eine verlässliche und stabile Reaktion, brauchen wir zunächst Bedürfnisbefriedigung auf der ersten, also der niedrigsten Stufe der Bedürfnispyramide. Ist das grundlegende Bedürfnis nach Essen und Schlaf nicht ausreichend gestillt, werden wir auf Dauer dünnhäutig. Manche Menschen können sich eine Weile zusammenreißen, doch dann, ein falsches Wort, ein unpassender Tonfall und uns platzt der Kragen. Treffen zwei hungrige Unausgeschlafene aufeinander […]

     

    Erst danach klopft unser Bedürfnis nach einem sicheren Rahmen für unser Handeln an. Sicherheit, Stabilität und Vorhersehbarkeit sind umgeben von Grundsätzen, Vorschriften und Gesetzen. Sie regeln das Miteinander, im Straßenverkehr genauso wie in einem Unternehmen, ja selbst in der Familie. 

    In der dritten Stufe folgen die sozialen Bedürfnisse. Kommunikation ist, auch wenn es im Zeitalter der sozialen Medien merkwürdig klingt, kein Bedürfnis, welche das Überleben Erwachsener sichert. 


    Handlungsoptionen 

    Was sagt uns das jetzt für den Umgang mit Menschen? […]


    Satte Menschen schimpfen seltener.

  • Teil I 3. Realitäts-Check - Erschaffen oder herbeiglauben?

    […] Der Nachbar sagte es erst letzte Woche: „Menschen, die einem nicht in die Augen schauen, kann man nicht trauen.“ Gestern stand in der Zeitschrift: „Der Blickkontakt zwischen Menschen ist nicht zu unterschätzen. Wenn er fehlt, können Sie zu 80 % davon ausgehen, dass Ihr Gegenüber es nicht ehrlich mit Ihnen meint.“ Die Körpersprache-Expertin aus dem YouTube Video warnte erst letztens vor Menschen, deren Blickkontakt nicht klar und offen ist. Spätestens jetzt wissen wir sicher: Menschen, die uns nicht anschauen, können wir nicht trauen.           Wahrheit ist entstanden.


    Die von uns erzeugte Realität 

    • stellt Behauptungen auf ohne Beweise

    • schafft eigene Perspektiven

    • kann in Illusionen abgleiten


    Je nachdem, was Sie hören, lesen und mit welchen Menschen Sie sich umgeben, ist Ihre Stadt wie ein sicherer Hafen oder einer der gefährlichsten Orte im Umkreis von 1000 Kilometern. 


    Wer sich nicht von 3 Aussagen überzeugen lässt, versucht es jetzt mit Statistiken. Sie bieten uns ausreichende Realitätsgrundlagen. Vor allen Dingen, wenn wir aus 75,34 % Wahrscheinlichkeit im Kopf „fast alle“ machen. 

    Sollten Sie schon einmal wissenschaftlich gearbeitet haben, wissen Sie, dass Statistiken auch dafür genutzt werden, die Vorstellungen der Auftraggeber zu bestätigen. Statistiken zu denselben Themen können gleiche oder bis zu 100 % unterschiedliche Ergebnisse liefern. Wissenschaftliche Quellen können, aber müssen keine glaubwürdige Realität abbilden.


    Zum Schluss noch eine beliebte Vorgehensweise im Umgang mit Statistik. Der ein oder andere neigt dazu, die Anwendbarkeit von Statistiken zu individualisieren, also zu glauben, dass er die rühmliche Ausnahme bildet.


    Laut Statistik der Weltluftfahrtorganisation IATA liegt „die weltweite Unfallquote bei 0,61 Totalverlusten pro 1 Millionen Flüge“.  Fliegen ist also laut Statistik das sicherste Verkehrsmittel der Welt. Trotzdem will Klaus mit dem Auto 2232 km in 21 Stunden ohne nennenswerte Pausen von Stuttgart nach Lissabon fahren, weil der Sohn eines Bekannten seiner Nachbarin vor 3 Jahren mit dem Flugzeug abgestürzt ist. Das soll ihm nicht passieren.


    Immer mehr Menschen machen Abitur. Doch Mark bricht die Schule ab, weil er im Internet gelesen hat, dass John D. Rockefeller ohne Schulabschluss Milliardär geworden ist. Damit hat sich seine Vorstellung bestätigt, dass ein höherer Schulabschluss unnötig ist. 


    Handlungsoptionen

    Ich nehme noch einmal die zweite Frage des Kapitels auf: Woran orientieren wir uns? Ich schlage Ihnen einen Realitäts-Check vor. Das bedeutet, die eigene Perspektive zu erweitern und nach Belegen zu suchen. Was dann übrig bleibt, ist funktionierende Realität. Damit können wir arbeiten und aufgrund dieser Basis entscheiden oder uns positionieren. […]

  • Teil I 7. Innere Haltung – Mehr als Kalenderweisheiten

    Arbeiten Sie gerne? Die Antwort auf diese Frage dient nicht nur Ihrer Karriere und Motivation - sie beeinflusst auch stark Ihre Wirkung nach außen. Und die ist sicherheitsrelevant. 


    Wer am liebsten heimlich eine Bombe werfen würde, weil die Arbeit, die Kunden, die Kollegen und der Chef ihm mächtig auf die Nerven gehen, ist eine tickende Zeitbombe mit kurzer Zündschnur. Niemand weiß, welcher Funke, also welche unerwartete Situation oder Änderung eine Explosion auslöst, deren Folgen nicht vorhersehbar sind. 


    Napoleon Hill, Verfasser des Weltbestsellers „Denke nach und werde reich“, sagte einst: „Der Gedanke ist die Energie, die zu den nötigen Taten antreibt, um Hindernisse zwischen Ihnen und dem, was Sie sich wünschen, zu überwinden.“ 


    Unsere Gedanken haben mehr Einfluss auf uns selber, als wir es oft für möglich halten. Daher können wir mit bewusst eingesetzten inneren Haltungen schwierige Situationen proaktiv, also bereits im Vorfeld beeinflussen, noch bevor überhaupt etwas Unangenehmes geschieht. Das ist die eleganteste Art und Weise mit Schwierigkeiten umzugehen. Sie lassen sie erst gar nicht entstehen. Frei nach dem Motto: Der beste Kampf ist der, der nicht stattfindet. 


    Lassen Sie uns nun 5 innere Haltungen beleuchten, die Ihren Kontakt zu einem Gesprächspartner sicher verbessern. […]


    7.2 Innere Haltung: Ich bin im Job professionell freundlich


    Freundlichkeit wird im beruflichen Kontext erwartet. Fehlt sie, empören wir uns, ist sie übertrieben, fühlen wir uns verschaukelt und nicht ernst genommen. Haben Sie gute Laune, ist es für alle Beteiligten wunderbar. Aber wehe, Sie sind gereizt, haben keine Energie, dann ist mit Ihnen nicht gut Kirschen essen. Vielleicht beginnt sich Ihr freundliches Wesen erst morgens ab 10.00 Uhr zu entfalten, obwohl Sie bereits um halb acht mit Ihrer Arbeit starten. Oder Sie machen es von der freundlichen Begrüßung Ihrer Kollegen abhängig oder vom Wetter oder von tausend anderen Dingen. In unserem Kopf braucht Freundlichkeit Auslöser. Wenn sie fehlen, müssen wir schließlich auch nicht freundlich sein. Ist doch klar. […]


    Vorsicht bei Übertreibungen. Überzogene und aufgesetzte Freundlichkeit ist unangenehm. Das mögen wir gar nicht. Die Überschrift heißt „Innere Haltung“ und nicht „Schauspielerei“ oder „Die Kunst den Mund zu verziehen“. 

    Freundlichkeit ist keine angeborene Charaktereigenschaft. 


    Freundlich zu sein setzt eine bewusste Entscheidung voraus. Zu Anfang fühlt es sich immer komisch an zu lächeln, gerade, wenn Sie es nicht gewohnt sind. Üben Sie es! Jeden Morgen 3 Minuten vor dem Spiegel. Ob Ihnen danach ist oder nicht. Schon nach ca. 1 Minute wird das Lächeln immer entspannter und nimmt definitiv Einfluss auf Ihre Laune. Gleichzeitig ist Lächeln ansteckend. Die sogenannten Spiegelneuronen übertragen Ihre freundliche Ausstrahlung auf den Menschen, dem Sie sich gerade zuwenden. […]


  • Teil I 10. Ego – Unsere stärkste Kraft


    […] Das Ego ist verantwortlich für unser großes Bedürfnis, alles beim Alten zu lassen, nichts zu ändern sowie für die Illusion, dass Dinge, die wir kennen, gut und sicher sind. Unser Ego will SSV – sicher, stabil und vorhersagbar. Wir wollen das, was wir gewohnt sind, beibehalten, konservieren, als Standard festschreiben. Alles, was davon abweicht, lehnen wir ab und es verunsichert uns.


    Unterschätzen Sie nicht die Kraft Ihres Egos. Es ist sein unbedingter Wille, mit dem, was es meint, denkt, fühlt und glaubt, recht haben zu wollen – und zwar ums Verrecken! Im wahrsten Sinne des Wortes.


    Ziel kann nur sein, sich nicht vom Ego verführen zu lassen. Dazu müssen wir genau hinschauen und mit der nötigen Distanz überprüfen, ob die Dinge in unserem Leben wirklich funktionieren. 


    Ein pragmatischer und lebenserfahrener Zen-Mönch hat dazu eine anschauliche Buddha-Geschichte verfasst, die er mir für dieses Buch zur Verfügung stellt. Sie beschreibt den sichersten aller Zustände. Und gleichzeitig schildert sie, warum nur so wenige Menschen ihn erreichen. 


    Surfen Sie gerne? 

    Ich lade Sie ein, Teil der Geschichte zu werden. Versetzen Sie sich in die Rolle des Ich-Erzählers.


    Der surfende Buddha  


    Ich stand am Strand. Mir fiel eine Gestalt auf, die scheinbar mühelos auf einem Surfbrett durch hohe Wellen schwebte. Der Surfer war groß, rundlich und braungebrannt. Er hatte ein strahlendes Lächeln, das mir irgendwie vertraut war. Etwa so wie die Buddhas in den Chinarestaurants. Er faszinierte mich und ich schwamm in seine Richtung. 


    Im Wasser waren bereits viele Menschen, die damit beschäftigt waren, ihren Kopf über Wasser zu halten. Die Wellen waren stark und deshalb klammerten sich einige an herumschwimmende Holzplanken, um nicht unterzugehen. Das tat ich auch. 


    Regelmäßig schlug eine Welle über ihren Köpfen zusammen. Manche gingen unter, andere tauchten prustend wieder auf, um sich bis zur nächsten Welle in Sicherheit zu wiegen. Was waren das für Planken? Ich sah sie mir näher an und stellte fest, dass sie alle mit einer feinen, fast unsichtbaren Schrift beschrieben waren. Auf manchen stand "Sicherheit" oder "Geld", auf weiteren "Partnerschaft" oder "Besitz". Auf den anderen "Macht", "Einfluss" und "Freiheit". 


    Mein Blick richtete sich wieder auf den Surfer. Er surfte gelassen durch diesen Tumult und beobachtete aufmerksam das Geschehen. Immer, wenn einer der Treibenden Gefahr lief seine Planke zu verlieren, war der Buddha zur Stelle. Kurz verharrte er bei dem Betreffenden, bevor er weitersurfte. 


    Ich sah den Buddha an und fragte ihn verwundert: „Warum lässt du die Leute weiter im Wasser treiben? Warum nimmst du nicht einfach eine Person mit aufs Board und zeigst ihr, wie das Surfen funktioniert?" 


    Mild lächelnd antwortete er: „Manchmal biete ich den Menschen an, auf dem Surfboard mitzufahren. Die meisten lehnen ab. Die fast einhellige Antwort beginnt mit den Worten ‚Eigentlich würde ich ja schon ganz gerne, aber...‘.  Irgendwie scheinen sie sich mit ihren Planken sicherer zu fühlen. Sie wollen sie nicht loslassen.“ […]


  • Teil II 4. Das Rattenrennen


    Was ist der Kick, uns auf eine Eskalation einzulassen, statt aufzugeben oder auszusteigen? 


    Wir glauben, dass wir das verbale Duell gewinnen können und dabei den anderen in seine Schranken weisen. 

    Wir sind davon überzeugt intelligenter zu sein, die besseren Begründungen und logischeren Argumente zu haben und die Dinge aus der einzig richtigen Perspektive zu sehen. 


    Wir wissen es einfach besser. Und wer besser ist, gewinnt, 100%ig. 


    Das lernen wir von klein auf. Außerdem haben wir die Ehre, die Moral, die Pädagogik, die Gesetze, beziehungsweise unseren Chef oder unsere Ehefrau auf unserer Seite.


    Das nicht zu verteidigen fällt uns schwer, sehr schwer sogar. Wir wollen das letzte Wort haben und dem Gegner eine Lektion erteilen: Wir können es nicht verkraften, dass der andere mit seinen Verstößen gegen unser eigenes oder das offizielle Wertesystem durchkommt. Also lassen wir uns auf Provokationen ein und werden Mitspieler im Eskalationsspiel. […]


  • Teil II 5. Mit Trugschlüssen aufräumen


    Manche Vorstellungen von Deeskalation sind Trugschlüsse, mit denen ich hier aufräumen will. In ihnen steckt das Potenzial zum Anheizen, statt den Gesprächspartner abzukühlen.


    Erster Trugschluss: 


    Der andere muss deeskalieren, nicht wir. Schließlich will er ja was von uns. Er muss als Erster nachgeben.


    Wir werden herausgefordert, provoziert, beleidigt und verunglimpft. Das sind die Methoden des anderen, das zu bekommen, was ihm seiner Meinung nach zusteht. 


    Auch wenn es uns nicht immer bewusst ist, wir sind Teil dieses Prozesses. Selbst dann, wenn wir nur zufällig, ungeplant oder unverschuldet in die Eskalation hineingeraten sind. Wir können der sogenannte Stein des Anstoßes sein oder der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. 


    Menschen ziehen uns in ihr Problem hinein. Und dann greifen sie uns auch noch verbal an. Wir sind empört und fragen uns, was wir tun können, um den anderen in den Griff zu bekommen.


    STOPP!  Das ist die falsche Frage. 


    Die entscheidende Frage lautet: Wie bekommen Sie sich selber in den Griff? Denn Sie sind Teil der Lösung. Diese Antwort macht nicht glücklich – ja, ich weiß – aber sie macht Sie unabhängig. Sie sind der Teil des Prozesses, auf den Sie direkt Einfluss nehmen können. 


    Geben Sie nicht einfach nur den gewohnten Gefühlen nach, sondern steuern Sie bewusst dagegen. Behalten Sie das Steuerrad in der Hand und lernen Sie, die heranrollenden Gefühlswellen zu nutzen, statt unterzugehen. 

    Mit funktionierenden Deeskalationstechniken können Sie sogar Vorbild sein, für Beobachter und den gegenwärtigen Aggressor.


    Zweiter Trugschluss: 


    Deeskalation funktioniert mit den richtigen Argumenten oder Begründungen. 

    Menschen, die sich aufregen, sind in einer akuten Stresssituation. Im Stress ist unser Gehirn vernebelt. Strukturiertes und klares Denken ist laut Hirnforschung nicht mehr möglich. Kampfhormone blockieren die geistige Aufnahmefähigkeit. In dieser Situation sind Menschen für Argumente völlig unzugänglich. 


    Halten Sie sich in dieser Phase mit Ratschlägen und Belehrungen zurück, bleiben Sie ruhig und hören Sie zu. Erst, wenn Ihr aufgebrachter Gesprächsgegner sich wieder in einen friedlichen Gesprächspartner verwandelt, fallen Ihre Argumente auf fruchtbaren Boden und machen im weiteren Gesprächsverlauf Sinn. […]


  • Teil II 6. Deeskalieren ist alles andere als klein beigeben


    Wie in jedem Gespräch transportieren Sender und Empfänger gleichzeitig Informationen und Gefühle, die miteinander verwoben sind. Bei aggressiv-emotionalen Menschen überwiegen die Gefühle und sind der Zündstoff für Eskalationen. Sie wählen einen unangenehm- scharfen Tonfall, knallen uns Sachen auf den Tisch, so als wären wir ihre Untergebenen oder der Hund, dem sie am liebsten noch einen Tritt geben würden. Sie lassen ihren Gefühlen freien Lauf. 


    Mein halbes Leben war ich der Ansicht, Deeskalation hieße klein beigeben. Somit gewänne beim Deeskalieren immer der andere. Eine ziemlich frustrierende Sache. Verständlich, dass wir mit diesem Gedanken das Thema Deeskalation zur Seite schieben. In den darauffolgenden Jahren änderte sich meine Auffassung grundlegend. Ich spürte, welche Lenkungskräfte in der Deeskalation stecken, wie stark ich emotional aufgeheizte Gespräche durch Deeskalations-

    strategien wieder entspannen konnte und wie gut es mir dabei selber ging. 


    Das Gleiche spürten viele Kunden, die erfolgreich deeskalierten. Im Nachhinein waren sie alle stolz auf sich, denn sie drehten Gespräche, die ohne ihre Deeskalationsfähigkeiten böse ausgegangen wären. 


    Welche Macht und welchen Einfluss sie durch deeskalierende Kommunikation auf die scheinbar ausweglose Situation hatten, überraschte sie sehr. 

    […]


  • Teil II 10.1 Der Königsweg - Wir geben nach oder stimmen zu

    Diese Strategie umfasst 5 unterschiedliche Methoden. 


    1.  Wir geben dem anderen recht


    Viele Menschen sind tendenziell großzügig. Sie setzen sich für andere ein und teilen gerne. Allerdings gibt es eine Ausnahme. Beim Bedürfnis recht zu haben hört die Großzügigkeit auf. 


    Unsere Vorstellungen zu den Themen Korrektheit, Fairness, Anstand stellen wir nur ungern zur Diskussion. Wir sind höchstens geneigt denen zuzuhören, deren Ansichten mit unseren fast deckungsgleich sind. Mark Twain hat dies sehr treffend formuliert: „Wir schätzen die Menschen, die frisch und offen ihre Meinung sagen – vorausgesetzt, sie meinen dasselbe wie wir.“ […]


    Rechthaben verbinden wir mit gewinnen. Erinnern Sie sich an das Kapitel Rattenrennen? Alle wollen gewinnen und niemand verlieren, denn Verlierer haben im allgemeinen Unrecht. Sollten wir aber aus irgendeinem Grund trotzdem verlieren, können wir besser damit leben, wenn der andere auch verliert. Immerhin wäre es ausgeglichen und was ausgeglichen ist, ist gerecht. Daher kommen viele Menschen mit Gleichbehandlung zurecht. Auch das haben Sie  bereits in Kapitel 17 des ersten Teils gelesen. „Wie du mir, so ich dir“ oder „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ sind Redensarten, die uns dieses Ausgleichsbedürfnis bestätigen.


    Überprüfen wir das beispielhaft:

    • Bekommen Sie von einem Freund ein Geschenk, das 50 Euro wert ist, sind Sie bereit, dem Freund ebenfalls ein 50-Euro-Geschenk zu machen. 

    • Wer 100 Euro klaut, soll sich eine Strafpredigt anhören und dann die 100 Euro zurückzahlen.

    • Wer zu Ihnen „blöde Kuh“ sagt, dem dürfen Sie „Blödmann“ an den Kopf werfen. 


    Das ist in unseren Augen ausgeglichen und gerecht. Die Waagschalen sind im Gleichgewicht oder auf einer sogenannten Null-Ebene. Daher nennt sich dieses Ausgleichsbedürfnis auch „Nullsummenspiel“. 


    Einen interessanten, neuen Aspekt bekommt das Nullsummenspiel, wenn es sich nicht um Geldsummen oder Gegenstände handelt, die wir ins Gleichgewicht setzen wollen, sondern um Abstraktes oder Ideelles ohne Limitierung. Was heißt das nun schon wieder?


    Nehmen wir mal die Selbstsicherheit. 

    Stellen Sie sich vor, Sie sind eine selbstsichere Person und treffen auf eine zweite selbstsichere Person. Was passiert jetzt? Vielleicht schauen Sie sich gegenseitig ganz genau an und wägen ab. Ist diese Person wirklich so selbstsicher wie Sie oder tut sie nur so? Halt, war da nicht gerade etwas Unsicherheit in ihren Formulierungen zu hören? Aber der Blickkontakt ist schon sehr selbstsicher. Ist der besser oder schlechter als Ihr eigener? 


     Im Handumdrehen startet unsere innere Vergleichsmaschinerie. Jedes Plus beim anderen bringt Ihnen ein gefühltes Minus. Und umgekehrt: Ihr Wert lässt sich nur steigern durch Mängel beim anderen. […]


    Hat man Ihnen auf der Arbeit schon mal vorgeworfen: „Sie haben keine Ahnung“? Möglich. Setzen Sie sich kurz mit dieser Aussage auseinander. Könnte Ihr Gesprächspartner vielleicht in Teilbereichen recht haben?

    Auch in diesem Fall könnten Sie dem Verbal-Attackierer recht geben, obwohl er im Gesamtkontext sicherlich unrecht hat. 


    Mir persönlich fallen sofort einige Dinge ein, von denen ich keine Ahnung habe. Themengebiete wie Differenzialgleichungen, Schweißen, Geräteturnen, Computerprogrammierung etc., davon habe ich keinen blassen Schimmer. Das heißt, mein Gegenüber hat recht. Sagen Sie in einem neutralen Tonfall: „Stimmt, es gibt viele Themengebiete, von denen ich keine Ahnung habe.“ Sie könnten noch hinzufügen: „Hier in diesem Fall kann ich Ihnen weiterhelfen.“ 


    Damit darf der Kunde nun frei entscheiden, ob er Ihren Service in Anspruch nimmt oder nicht. Nachdem Sie ihm diese Brücke gebaut haben, ist das gut möglich.

    […]


  • Teil II 11. Klartext reden - Wir warnen und zeigen Konsequenzen auf


    Schon wieder eine Irritation: Vorhin hieß es noch, wir müssen in angespannten Situationen Druck rausnehmen, und jetzt dieser Vorschlag? Meine Erfahrung zeigt, dass man für unterschiedliche Situationen auch unterschiedliche Methoden braucht, um Gesprächspartner zu deeskalieren.

     

    11.1  Wir warnen und zeigen Konsequenzen auf


    Wenn der Aggressor entweder etwas Unangemessenes tut oder sich an etwas nicht hält, kündigen Sie Konsequenzen an. Sein Verhalten hat somit Folgen. 


    Hier geht es nicht um Erziehungsmaßnahmen, außer Sie haben im pädagogischen Kontext explizit den Auftrag dazu. Halten Sie sich mit guten Ratschlägen zu seiner Lebensführung zurück, auch wenn Sie denken, dass hier die „gute Kinderstube“ komplett versagt hat.


    Viel wichtiger ist die Auseinandersetzung mit Ihren Optionen. Seien Sie vorbereitet und überlegen Sie genau, welche ausgesprochenen Konsequenzen sich durchsetzen lassen. Sie erinnern sich: Recht hat immer nur der, der das Recht = die Konsequenzen auch durchsetzen kann. Das ist bei einer Warnung unabdingbar.

    Es verleiht ihr Glaubwürdigkeit und damit Gewicht.


    Vorsicht: Setzen wir Macht ein, verliert sie bei ständigem Gebrauch ihre Wirksamkeit. Unablässiges Warnen und Androhen von Konsequenzen, die nicht folgen, werden irgendwann nicht mehr ernst genommen. 


    Für Ihre Durchsetzungsstärke gilt: Überlegen Sie sich vorher, welche Mittel der Macht angemessen und wozu Sie wirklich bereit sind.

     

  • Teil II 15.1 Antwortoptionen auf persönliche Angriffe

    […]


    Sie sind doch viel zu jung!


    • Stimmt, ich bin jung und ich gebe mein Bestes. Was kann ich für Sie tun?

    • Danke fürs Kompliment.

    • Stimmt. Ich bin jung und jetzt für Sie da. Was kann ich für Sie tun?



    Wer sind Sie überhaupt?


    • Ich bin derjenige, der Ihnen hier weiterhelfen kann.

    • Oh, Entschuldigung. Ich habe mich bei Ihnen gar nicht vorgestellt. 

      Mein Name ist … 

    • Mein Name ist … Ich bin Ihr Sachbearbeiter in dieser Abteilung.



    Ich will jemanden sprechen, der Ahnung hat.


    • Glück gehabt. Da sind Sie bei mir genau richtig. 

    • Derjenige sitzt vor Ihnen.

    • Reichen Ihnen 10 Jahre Berufserfahrungen?

    • Ich habe einen Kollegen, der ist Experte auf dem Gebiet. 

       Ich hole ihn gerade dazu.

    • Die Experten sitzen nicht hier, sondern in Frankfurt. Wollen Sie dort anrufen?


    […]


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